„Der Maharadscha hatte Tränen in den Augen“

Uhrmachermeister Wolfgang Domann hat in Indien antike Chronometer repariert. (Foto: pr)

Wolfgang Domann reparierte antike Uhren beim Maharadscha von Jodhpur

von Christopher v. Savigny, Iserbrook – Wenn es darum geht, kaputte Uhren zu reparieren, reist Wolfgang Domann sogar bis nach Indien: Der Uhrmachermeister verbrachte zwei Wochen im Palast des Maharadschas Gaj Singh II von Jodhpur, um antike Chronometer aus der Kolonialzeit wieder gangbar zu machen. Begleitet wurde der umtriebige Tüftler von sechs Kollegen, die wie Domann einem bundesweiten Fachkreis für historische Uhren angehören. Auch die Ehepartner waren mit von der Partie.
Knapp 100 antike, mechanische Zeitmesser – von der winzigen Taschenuhr bis zur 80 Zentimeter hohen Standuhr – hatte der indische Herrscher in seinem Arsenal liegen. Seit 60 Jahren waren sie nicht mehr überholt, geschweige denn aufgezogen worden. „Während der Regenzeit ist die Luft dort warm und feucht“, erklärt Domann. „Für Uhren das Schlimmste, was man sich vorstellen kann, weil alles ganz schnell verrostet.“ Domann vermutet, dass ein Großteil davon als Gastgeschenke nach Indien gelangte. „Eigene Leute, die so etwas reparieren könnten, haben sie dort nicht.“
Aus dem Grund mussten die deutschen Uhrmachermeister auch ihr gesamtes Werkzeug selbst mitbringen – immerhin 20 Kilo pro Person, inklusive einer Drehmaschine, die zum Bohren winziger Löcher dient. Und dann wurde geschraubt, geputzt, geschliffen, geölt und justiert. Und zum Schluss wieder zusammengesetzt.
Domann ist stolz darauf, eine große, französische Portaluhr wieder zum Laufen gebracht zu haben. Diese kann sogar Musik machen. „Der Maharadscha hatte Tränen in den Augen, als er die eingebaute Spieluhr hörte“, erzählt er. „Er kennt die Uhren noch aus seiner Kindheit.“
Bei dem ungewöhnlichen Geschäft wechselte kein Geld den Besitzer. Die Besucher aus Europa zahlten den Flug, der Maharadscha sorgte für Kost, Logis und ein Freizeitprogramm. „Eine faszinierende Erfahrung“, resümiert Domann. „Auch, weil man Land und Leute ganz anders kennenlernt als bei einer
Pauschalreise.“

Artikel im Elbe Wochenblatt Nr. 35  am 29. August 2012